Voraussetzungen und Eignung 



Das Schöffenamt ist ein staatsbürgerliches Ehrenamt, zu dessen Übernahme und Ausübung jeder Deutsche, der die Voraussetzungen erfüllt, verpflichtet ist. Wer einmal in das Amt gewählt wurde, kann es nur aus ganz bestimmten, gesetzlich geregelten Gründen ablehnen


1. Zwingende gesetzliche Anforderungen

Bewerber, die die zwingenden gesetzlichen Voraussetzungen (§§ 31, 32 GVG, § 44 a DRiG) nicht erfüllen, sind vom Schöffenamt zwingend ausgeschlossen. Es gibt keinen Ermessensspielraum, im Einzelfall doch zum Schöffen gewählt werden zu können. Stellt sich nach der Wahl heraus, dass die Voraussetzungen nicht vorlagen, werden diese Personen von der Schöffenliste gestrichen.

Staatsbürgerschaft
Schöffen müssen die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen (§ 31 GVG). Auch ein EU-Bürger, der das kommunale Wahlrecht in Deutschland hat, kann nicht in das Schöffenamt gewählt werden.

Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter, Vorstrafen
Wer infolge einer gerichtlichen Entscheidung die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht besitzt, ist vom Schöffenamt ausgeschlossen (§ 32 Nr. 1 Alt. 1 GVG). Der „Verlust der Amtsfähigkeit“ tritt für fünf Jahre ein, wenn jemand wegen eines Verbrechens zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wurde (§ 45 Abs. 1 StGB), auch wenn diese zur Bewährung ausgesetzt worden ist. Der Verlust kann auch wegen einer Tat, bei der das Gesetz diesen Verlust als Nebenfolge zulässt (§ 45 Abs. 2 StGB), vom Gericht für zwei bis fünf Jahre angeordnet werden.
Ebenfalls unfähig zum Schöffenamt ist, wer wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe (auch bei Bewährung) von mehr als sechs Monaten verurteilt wurde (§ 32 Nr. 1 Alt. 2 GVG).

Ermittlungsverfahren
Personen, gegen die ein Ermittlungsverfahren wegen einer Tat schwebt, die den Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter zur Folge haben kann, sind unfähig, das Schöffenamt zu bekleiden (§ 32 Nr. 2 GVG). Das ist zum einen beim Vorwurf eines Verbrechens (§ 45 Abs. 1 StGB) der Fall, zum anderen bei Verfahren wegen solcher Delikte, bei denen die Möglichkeit des Verlustes der Amtsfähigkeit ausdrücklich vorgesehen ist (§ 45 Abs. 2 StGB).

Verfassungstreue
Die Bewerber dürfen nicht gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit verstoßen haben oder als hauptamtliche oder inoffizielle Mitarbeiter der Staatssicherheit der DDR bzw. ihnen gleichgestellt Personen tätig gewesen sein (§ 44 a DRiG).
Nach § 51 Abs. 1 GVG kann ein Schöffe von der Schöffenliste gestrichen werden, wenn er sich einer gröblichen Pflichtverletzung schuldig macht. Klassischer Fall ist die aktive Bekämpfung der verfassungsmäßigen Ordnung, insbesondere durch extremistisch eingestellte Personen. Die Vorschrift kann analog für die Schöffenwahl angewendet werden. Wenn ein bereits gewählter Schöffe, der die richterliche Unabhängigkeit wie ein Berufsrichter genießt, aus dem Amt entlassen werden kann, dann kann erst recht ein Bewerber, der diese Statusrechte noch nicht genießt, bei entsprechender Sachlage von der Wahl ausgeschlossen sein. Bei der Aufstellung der Vorschlagsliste und der Wahl der Schöffen entstehen bei der Einschätzung insoweit keine Probleme, da niemand einen Rechtsanspruch darauf hat, zum Schöffen gewählt zu werden. Für die Wahl oder Nichtwahl besteht keine Pflicht zur Begründung.


2. Soll-Voraussetzungen

§§ 33 und 34 GVG nennen eine Reihe von Gründen, aus denen bestimmte Personen(gruppen) nicht zu Schöffen gewählt werden „sollen“. „Soll“ bedeutet in diesem Zusammenhang nicht, dass die Vertretung einen Ermessensspielraum hätte, in Ausnahmefällen von den Ausschlussgründen abzuweichen. Sie hat nur zur Konsequenz, dass Verstöße gegen diese Ausschlussgründe eine gleichwohl erfolgte Wahl zum Schöffen nicht von vornherein unwirksam machen. Es empfiehlt sich aber, Unsicherheiten im Wahlverfahren dadurch auszuschließen, dass von der Wahl bei Vorliegen der folgenden Gründe abgesehen wird.


3. Ausschluss bestimmter Personen

  • nach dem Alter, § 33 Nr. 1 und 2 GVG
    Schöffen müssen bei ihrem Amtsantritt mindestens 25 Jahre alt und dürfen nicht älter als 69 Jahre sein (§ 33 Nr. 1 und 2 GVG). Der entscheidende Stichtag, nach dem das Alter zu berechnen ist, ist der 01. Januar 2019 (Beginn der Amtsperiode). Wer an diesem Tag 25 Jahre und noch nicht 70 Jahre alt ist, kann in die Vorschlagsliste aufgenommen und zum Schöffen gewählt werden.
  • nach der Wohnung, § 33 Nr. 3 GVG
    Bewerber müssen zum Zeitpunkt der Aufstellung der Vorschlagsliste durch die Vertretung oder den Jugendhilfeausschuss in der Gemeinde wohnen (§ 33 Nr. 3 GVG). Das GVG stellt auf den zivilrechtlichen Begriff der „Wohnung“ (§ 7 Abs. 1 und 2 BGB) ab. Es reicht aus, wenn sich der Bewerber überwiegend in der Gemeinde, in der er gewählt werden soll, aufhält, auch wenn er in einer anderen Gemeinde mit erstem Wohnsitz gemeldet ist.
  • aus gesundheitlichen Gründen, § 33 Nr. 4 GVG
    Schöffen müssen gesundheitlich, d.h. geistig und körperlich geeignet sein, das Amt auszuüben (§ 33 Nr. 4 GVG). Über den Umfang des Fehlens der gesundheitlichen Voraussetzungen besteht im Einzelfall Streit in Rechtsprechung und Literatur. Eine Geisteskrankheit schließt einen Bewerber in jedem Falle aus, ebenso Taubheit oder ausgeprägte Schwerhörigkeit, die auch nicht durch ein Hörgerät ausgeglichen werden kann, da in der Hauptverhandlung das Prinzip der Mündlichkeit verletzt wäre. Streitig ist, ob Blindheit vom Schöffenamt ausschließt. Das BVerfG hat in einem Einzelfall den Ausschluss eines blinden Schöffen nicht für einen Verfassungsverstoß gehalten. Es wird aber auch die Auffassung vertreten, dass blinde Menschen über eine Wahrnehmungsfähigkeit verfügen, die Sehenden nicht eigen ist. Ein stummer Richter ist nicht notwendigerweise als ungeeignet anzusehen, wenn er sich ausreichend schriftlich verständigen kann und das Prinzip der Mündlichkeit während der Gerichtsverhandlung gewahrt bleibt.
  • nach sprachlicher Eignung, § 33 Nr. 5 GVG
    Der Gesetzgeber hat die (völlig selbstverständliche) Regelung getroffen, dass Schöffen die deutsche Sprache beherrschen müssen (§ 33 Nr. 5 GVG). Es sollte selbstverständlich sein, dass zum Beherrschen der Sprache auch die Fähigkeit gehört, sich sprachlich adäquat einbringen zu können.
  • wegen Vermögensverfalls, § 33 Nr. 6 GVG
    Der Vermögensverfall ist ein Oberbegriff für alle Tatbestände einer Insolvenz: Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Zahlungsunfähig ist, wer nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen (§ 17 Abs. 2 InsO). Eine Zahlungsunfähigkeit droht, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, bestehende Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen (§ 18 Abs. 2 InsO). Eine Überschuldung (§ 19 Abs. 2 InsO) liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Auch Personen, gegen die das Verbraucherinsolvenzverfahren (sog. Privatinsolvenz) betrieben wird, können vom Schöffenamt ausgeschlossen sein. Dieses Verfahren richtet sich gegen in Vermögensverfall geratene natürliche Personen, die keine oder nur eine geringfügige selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben (§ 304 Abs. 1 InsO).
  • kein Ausschluss mehr wegen zweimaliger Wahl
    Bis vor kurzem waren Schöffen, die sich in ihrer zweiten aufeinanderfolgenden Amtsperiode befinden, nicht berechtigt, ein drittes Mal in Folge wiedergewählt zu werden. Diese "Zwangspause" ist vom Deutschen Bundestag im Juni 2017 aufgehoben worden.
  • Ausschluss bestimmter Berufe, § 34 GVG
    Angehörige bestimmter Berufe sollen nicht zum Schöffenamt berufen werden. Dazu gehören politische Spitzenämter (Staatsoberhaupt, Regierung, Politische Beamte) und justiz (nahe) Berufe, wie Staats- und Amtsanwälte, Polizeivollzugsbeamten, Rechtsanwälte, Notare, gerichtliche Vollstreckungsbeamte, Bedienstete des Strafvollzuges, Gerichtshelfer, Jugendgerichtshelfer, Bewährungshelfer. Auch Religionsdiener und Mitglieder religiöser Vereinigungen sollen nicht zu Schöffen gewählt werden.


4. Erzieherische Befähigung der Jugendschöffen

Zu Jugendschöffen sollen nur erzieherisch befähigte und in der Jugenderziehung erfahrene Personen vorgeschlagen werden (§ 35 Abs. 2 Satz 2 JGG). Deshalb wird die Vorschlagsliste für die Jugendschöffen auch vom Jugendhilfeausschuss erstellt. Anhaltspunkte für eine solche Qualifikation ergeben sich aus beruflicher Tätigkeit, aber auch aus ehrenamtlicher Tätigkeit im Bereich von Jugendverbänden, Jugendhilfe- und Freizeiteinrichtungen, im schulischen und sportlichen Bereich sowie im Rahmen von privater Erziehungs- und Betreuungstätigkeit.


5. Eignungstest zu den gesetzlichen Voraussetzungen

Um vor einer neuen Amtsperiode auf die Auswahlliste der zu wähglenden Schöff/-innen gesetzt werden zu können, müssen gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sein.


6. Praktische Befähigungskriterien

An die Schöffen werden keine besonderen Anforderungen im Sinne einer formalen Qualifikation gestellt. Es kann aber nicht bestritten werden, dass sich nicht jeder Bürger in gleicher Weise eignet, über andere Menschen zu Gericht zu sitzen. Das Amt verlangt aus sich heraus bestimmte Eigenschaften, die nicht jeder mitbringt. Schöffen sollen einwandfreie, kluge, rechtlich denkende, unvoreingenommene Personen sein, deren Fähigkeiten sich so zusammenfassen lassen:

  • Soziale Kompetenz
  • Menschenkenntnis und Einfühlungsvermögen
  • Logisches Denkvermögen und Intuition
  • Berufliche Erfahrung
  • Vorurteilsfreiheit auch in extremen Situationen
  • Kenntnisse über die Grundlagen des Strafverfahrens, die Bedeutung von Kriminalität und Strafe sowie die Bedeutung der Rolle der Schöffen
  • Mut zum Richten über Menschen, Verantwortungsbewusstsein für den Eingriff in das Leben anderer Menschen.
  • Gerechtigkeitssinn, Denken in gerechten Kategorien
  • Standfestigkeit und Flexibilität im Vertreten der eigenen Meinung
  • Kommunikations- und Dialogfähigkeit.


Ablehnungsgründe

Zur Ablehnung des Schöffenamtes berechtigen:

  • Mitgliedschaft in einer Gesetzgebungskörperschaft, also Europaparlament, Bundestag und Bundesrat, Landtag (Bürgerschaft, Abgeordnetenhaus, § 35 Nr. 1 GVG). Die Mitglieder von kommunalen Vertretungen (Gemeinderat, Stadtverordnetenversammlung, Kreistagen, Landschafts- oder Umlandverbandsversammlungen, Bezirksplanungsräten usw.) fallen nicht unter Nr. 1, da die Vertretungen der kommunalen Selbst verwaltung keine Parlamente sind.
  • Dienstleistung als Schöffe oder ehrenamtlicher Richter: Schöffen der zurzeit laufenden Amtsperiode können die erneute Wahl ablehnen, wenn sie an 40 (Kalender-)Tagen Dienst getan haben. Ebenfalls ablehnungsberechtigt sind Personen, die zur Zeit der Schöffenwahl in einer anderen Gerichtsbarkeit als ehrenamtliche Richter tätig sind.
  • Ausübung bestimmter Heilberufe: Vom Schöffendienst befreien lassen können sich approbierte (Zahn-)Ärzte, staatlich anerkannte (Kinder-)Krankenschwestern, Krankenpfleger, Hebammen sowie Apothekenleiter, soweit sie keinen weiteren Apotheker beschäftigen. Nicht zu den Ablehnungsberechtigten gehören dagegen z.B. Tierärzte oder Heilpraktiker.
  • Fürsorge für Familienangehörige, wenn durch das Schöffenamt die Sorge für ein Familienmitglied wesentlich erschwert würde. „Familie“ ist als rein tatsächliches Verhältnis zu verstehen; ein Verwandtschaftsverhältnis muss nicht bestehen.
  • Die Vollendung des 70. Lebensjahres bis zum Ende der Amtsperiode (31.12.2023). De facto kann also jeder, der im Laufe des Jahres 2019 das 65. Lebensjahr vollendet, die Übernahme des Amtes ablehnen.
  • Gefährdung der wirtschaftlichen Lebensgrundlage, wenn die Belastung durch die Amtsausübung so gravierend ist, dass die wirtschaftliche Existenz des Betroffenen oder eines Dritten ernsthaft gefährdet ist. Nicht jeder wirtschaftliche Nachteil reicht zur Ablehnung aus. Die wirtschaftliche Grundlage muss durch das Schöffenamt regelrecht bedroht sein. Auch die wirtschaftliche Gefährdung des Arbeitgebers kann ein Ablehnungsgrund sein, wenn durch den Ausfall des Arbeitnehmers wirtschaftliche Nachteile im existenziellen Umfang drohen.

Diese in § 35 GVG genannten Gründe dürfen nicht ausgedehnt werden. Das ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Gebot, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Die Ablehnung des Schöffenamtes aus Gewissensgründen ist ebenso unzulässig wie die Behauptung, man fühle sich den Anforderungen des Amtes nicht gewachsen. Da das Gebot des gesetzlichen Richters nur für die gewählten Schöffen gilt, können aber in der Phase der Wahlvorbereitungen im Gesetz nicht genannte Ablehnungsgründe noch berücksichtigt werden. Gleichgültig, ob eine vorgeschlagene Person einen gesetzlichen Grund vorschiebt, der in Wahrheit nicht besteht, oder ob er schlicht sagt, dass er unwillig sei oder sich unfähig fühle, das Amt auszuüben, sollten die Kommunen darauf verzichten, eine solche Person in das Amt zu zwingen.


 
 
 
E-Mail
Anruf