An jedem Fehlurteil waren zwei Schöffen beteiligt!
Das Problem der Fehlurteile
Laut Ralf Eschelbach, Richter am 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs, handelt es sich bei jedem vierten Strafurteil um ein Fehlurteil (Eschelbach, in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StGB, 2. Aufl. 2014, § 46a Rn. 14).
Falls der erfahrene Richter Ralf Eschelbach recht hat, werden in Deutschland täglich
650 Menschen zu Unrecht wegen einer Straftat verurteilt. Statistiken, die Eschelbachs Behauptung überprüfen könnten, existieren nicht – und das aus gutem Grund: Das Justizsystem, so kritisiert der Richter, "deckt Entscheidungen, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch sind" (Spiegel Panorama, Thomas Darnstädt, 26.04.2013).
Das Thema Fehlurteile wird in den USA bereits seit 30 Jahren durch das
„Innocence Project“ intensiv bearbeitet. In Deutschland erhält es erst seit 2020 durch die Gründung von www.Wiederaufnahme.com durch Prof. Dr. Stefan König und Prof. Dr. Carsten Momsen verstärkte Aufmerksamkeit.
Auf der Webseite Wiederaufnahme.com werden fünf Fehlerquellen genannt:
1) Aussagen von Zeuginnen und Zeugen
2) Andere Beweismittel
3) Falsche Geständnisse
4) Schlechte Verteidigung
5) Fehlverhalten offizieller Stellen
An jedem Fehlurteil waren auch zwei Schöffen beteiligt. Daher möchte der Schöffenverband gemeinsam mit Berufsrichtern, Schöffen, Strafverteidigern, Staatsanwälten, Kriminalbeamten und Wissenschaftlern daran arbeiten, dem Thema Fehlurteile auch aus der Perspektive der Schöffen mehr Beachtung zu schenken. Derzeit befinden wir uns mit diesen Gruppen noch in der Brainstorming-Phase.
Die Verantwortung der Schöffen und das Problem der Fehlurteile
Schöffen üben gemäß § 30 GVG während der Hauptverhandlung das Richteramt in vollem Umfang aus und haben dabei das gleiche Stimmrecht wie Berufsrichter. Diese Gleichstellung bringt eine besondere Verantwortung sowohl gegenüber dem Angeklagten als auch gegenüber der Gesellschaft mit sich. Schöffen müssen sich dieser Verantwortung stets bewusst sein.
Wir Schöffen sind auf die Wahrheit vereidigt und nicht darauf, die Entscheidungen der Berufsrichter lediglich abzunicken. Dies erfordert einen kritischen und sorgfältigen Umgang mit allen Beweismitteln, um sicherzustellen, dass sie vollständig und schlüssig sind. Jeder Beweis muss gründlich geprüft und hinterfragt werden, um die Gerechtigkeit zu wahren und die richtige Entscheidung zu treffen.
Diese hohe Verantwortung verlangt von den Schöffen ein aktives Mitwirken und ein tiefes Verständnis der Sachlage, um die Interessen aller Beteiligten zu berücksichtigen und eine faire Urteilsfindung zu gewährleisten.
Die Wahrheitsfindung und die Gerechtigkeit müssen immer im Vordergrund stehen, um die Integrität des Justizsystems zu wahren und das Vertrauen der Gesellschaft in die Rechtsprechung zu stärken.